In den letzten paar Tagen musste ich sehr oft an diesen Song denken. Dabei ist mir garnicht mal so klar warum... Besonders beeindruckend ist die Harmonie von solchen Songs natürlich nicht, und dem Arthur Sullivan-artigen Kompositionsstil des Broadway kann ich bis auf seinen offensichtlichen Kitsch auch nicht viel abgewinnen. Aber doch, gerade fühlt sich dieser Song richtig an. Das liegt natürlich vor allem an dem Umbruch, der sich in meinem Leben, so wie bei jedem Mitte-20er, vollzieht.
Zeit dieses Textes habe ich gerade vor einer Woche meine Masterarbeit abgeschlossen und ich bin in der ersten Woche meiner Promotion. Ich habe das große Glück, in einem Labor gelandet zu sein in welchem ich bereits schon mehrere Jahre als Assistent gearbeitet habe, und ich die Leute mit denen ich zusammenarbeite gut zu kennen. Das Meiste von dem, was ich jetzt am Anfang machen darf und muss, habe ich so weit erwartet, habe also keinen besonders großen Schock bisher erlebt, was die Arbeit angeht (aber was nicht ist kann ja noch werden ;D). Es gab allerdings doch einige lustige Überraschungen, die mit diesem "Seitenwechsel" passiert sind.
So war mir z.B. nicht bewusst, dass man als Promovierender und wissenschaftlicher Mitarbeiter einen Eid ableistet auf die Verfassung der BRD. Das ist für mich nicht weiter schlimm, da mein größter Einwand gegen die Verfassung Hessens sich inzwischen erledigt hat. Aber trotzdem ist es natürlich etwas, was nicht ganz ohne Schmunzeln passiert. Auch interessant war für mich, dass es dann doch so schnell ging. Einfach am morgen hingehen, zwei-drei Unterschriften, und zack, jetzt ist man ein Erwachsener mit Beruf.
Aber das ist nicht alles was sich in meinem Leben verändert hat. Es passiert nämlich natürlich all das, was man so erwartet was irgendwann mal im eigenen Leben passiert. Freunde ziehen weg, Freunde ziehen wieder näher, manche heiraten, andere trennen sich auch schon wieder. Bei mir ist es partikulär, dass meine Eltern jetzt tatsächlich auch kurz davor sind, die 70 zu erreichen. Das ist natürlich gruselig und erinnert mich jeden Tag daran, was ich in Hinsicht auf Familienplanung und Verlustängsten noch vor mir habe. Aber doch werd' ich glaub ich damit fertig. Womit ich garnicht fertig werde sind zwei andere Dinge:
Meine eine Oma, welche wir das erste mal seit längerem wieder besucht haben, ist seit nun 10 Jahren durch Alzheimer in einem rein vegetativem Zustand und erkennt mich vermutlich nichtmehr wirklich (auch wenn mir meine Familie etwas anderes versichern möchte).
Diese Krankheit ist damals mit weiterer familiärer Krankheit zusammengefallen und hat mich lange in meiner edgy Teenagerphase nur weiter fertig gemacht und mich damals zum größten ingrate Incelarschloch werden lassen wo gibt.
Zum Glück hat sich seitdem viel geändert und die andere familiäre Krankheit hat sich erledigt, aber doch bin ich jedes mal ein bisschen verlegen und die ganze Zeit nah an den Tränen wenn ich da bin.
Das macht einen natürlich glücklich wenn man wieder zuhause ist, aber man kann halt nichts von diesem Ort mitnehmen.
Der Realismus der aktuellen medizinischen Entwicklung zusammen mit dem politischen Gesamtzustand der Gesellschaft macht mir natürlich klar was passieren wird.
Innerhalb der nächsten 3-6 Jahre wird meine Oma einsam, verwirrt und mit dem Blick ins nichts in einem unterfinanzierten Pflegeheim (in welchem sich die verwaltenden PE Firmen die Tasche vollschlagen und mein vielleicht-ETF auch dran verdient)
entweder ungünstig stürzen oder verdursten oder keine Medikamente bekommen oder dies oder das oder ...
Bin ich ein schwerer Sünder, wenn ich davor ausweiche?
Als wir letzte Woche dort waren, habe ich zumindest kurz das Gefühl gehabt, für meine Oma da zu sein, als ich ihr Wasser gereicht habe, aber das natürlich nicht viel mehr als Virtue-Signaling.
"Schau mich nicht so traurig an
Du weißt, daß ich nicht bleiben kann"
99% meines Studiums habe ich mit einem Kommilitonen alles zusammen gemacht. Das heißt Vorlesungen, Seminare, Praktika, wir haben sogar beide in der gleichen Gruppe Bachelor, HiWi und Master gemacht. Währrend er gerade noch seine Masterarbeit in den letzten Zügen fertig bringt, bin ich nun zwei Büros weiter gewandert, und nutze natürlich jeden Moment den ich habe um wie ein starker Husar den ultra lustigen Witz zu bringen und so zu tun als wäre ich viel weiter als er in meiner Karriere (hehehhe ich bin so lustig). Freunde haben immer Witze gemacht darüber, dass er und ich eigentlich durchgehend im Streitgespräch waren über wirklich alles. Wann und womit das angefangen hat, weiß ich selbst nichtmehr so ganz, aber es war immer lustig und jetzt vermisse ich es brutalst, weil dieses Interaktionsverhältnis jetzt vermutlich vorbei ist. Währrend dessen mache ich mir aber auch wirklich Sorgen. Zwischen uns ist die Dynamik immer grob wie folgt: Ich bin der Theorie-begeisterte Dödel der gerne erst den Mund aufgemacht hat, und dann darüber nachgedacht hat, was er gerade sagt. Er ist der besonnene Praktiker, der micht fact-checked, schon von 10km Entfernung sieht, wohin ich will und warum das dumm ist, aber in einigen wenigen goldenen Momenten ceeden muss, dass ich ne gute Idee hatte (also Jake und Captain Holt in B99, Cheech und Chong, usw). Gleichzeitig war er mein erster richtier enger Freund an der Uni, und der, dem ich am meisten anvertraut habe, was das Akademische angeht. Er hat mich vor ner Menge Dummen bewahrt und immer so ein bisschen auf mich aufgepasst, wo andere 10-mal aufgehört hätten mit mir zu reden. Die Jury ist noch out dafür, ob ich ohne ihn gut klarkommen werde. Aber ich denke es wird klappen und ich will nicht so tun, als wäre ich nix und er alles (vor allem weil er das ja noch lesen wird lolololol hallo :D). Jetzt isses nämlich so: Er ist ein großartiger Informatiker (und in allem technischen 10k mal besser als ich) und befindet sich gerade im Prozess eine Anstellung zu finden, da er nicht eine Promotion anstreben möchte (sehr zu meinem Bedauern :')). Das stellt sich aber natürlich aufgrund von [current_events] als schwierig raus, selbst für jemanden von seinem Exzellenz-Grad. Ungleich sehe ich aber Kolleg-innen, welche die Hälfte an Effort in ihr Studium gesteckt haben und nur auf die richtigen Networking Pferde gesetzt haben, und jetzt mit knusprigem Gehalt in die Arbeitswelt einsteigen. Das kacke hoch 10 aber was soll man tun in einer spekulativen Informatik-Wirtschaft die sich viel zu viel Talent angelacht hat, als jemals hätte sustainable sein können? Er hat eine sehr spezifische und vernünftige Constraint-Matrix nach der die Job-Suche verläuft, deren Hauptaspekt die moralische Vertretbarkeit der Arbeit ist. Jeder kennt den Witz vom Informatik-Ingo, der das Palantir/Rheinmetall/DB-Gehalt sieht, und sich entscheidet "was muss, das muss". Jetzt mache ich mir fast schon Vorwürfe weil ich vor ihm so oft moralisiert habe von wegen "Uhh das kann man nicht machen" aber ich glaube das gibt mir zu viel Credit und undermined das eigentliche Problem, dass Informatik in der freien Wirtschaft wie fast alle Ingenieursfelder nicht moralisch gebunden ist. Jetzt hat er aber bald einen Job (also sieht zumindest ziemlich sicher so aus) der reasonably moralisch ist und gut in seine Constraint-Matrix passt. Das ist auch gut, nur könnte dass dann bedeuten dass er sich zu der Liste von gut und gern 10 anderen Freunden anschließt, die wegziehen oder sich aus meinem Kontrollradius verabschieden (traurige Erich Honnecker Geräusche). Es bleibt also spannend wie ich auch damit cope. "Eins weiß ich schon lang Wunder geschehn nie wo du bist Und nur für den der träumt"
Also wo verbleiben wir beide, du und ich jetzt? :D Ich denke mal, es wird alles gut. Die nächsten drei Jahre werden vermutlich die spannensten vier meines Lebens. Wenn ich dann mit diesen fünf Jahren rum bin hoffe ich vor allem für mich: